
AM SONNENPLATZ
mit Horst Stein
Er ist Künstler, Sexualpädagoge für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, facettenreicher Hobbykoch, prämierter Destillateur, passionierter Musiker, Tischler und Bootsbauer. Horst Stein lässt sich in keine Kategorie stecken. WOLKENLOS macht die vielen Schubladen dieses ausgesprochen ungewöhnlichen und herzlichen Zeitgenossen sichtbar.
„Wenn ich etwas kann, höre ich sofort damit auf.“
Der gebürtige Oberösterreicher Horst Stein kann viel und hat sich deshalb schon unzählige Wirkungsfelder als Autodidakt erschlossen. Aus einem kleinen Dorf im Innviertel kommend, gab es in seinem Elternhaus viel Liebe und Geborgenheit, aber „kaum Förderung“, wie der Universalkünstler unverblümt zugibt. Sein Umfeld war reiseskeptisch, kunst- und auch bildungsfern, aber befeuerte kreative Lösungen jeglicher Art.
Steins Augen leuchten, wenn er von seiner Kindheit erzählt. Unzählige Stunden habe er draußen in der Natur verbracht: Pflanzen, Tiere und rundherum alles Kuriose beobachtend. Biologe, Taucher oder Forscher wollte er werden.
„Schon als junger Mensch hatte ich das Gefühl, vor dem Abgrund des Neuen oder Unbekannten zu stehen & zu versuchen, mit jedem Schritt nach vorne an Terrain zu gewinnen.“
Vom Innviertler Jägerball in die Sammlung des amerikanischen Konzeptkünstlers Sol LeWitt
Seinen ersten künstlerischen Auftrag erhielt Horst Stein mit 13 Jahren, als er das Plakat des örtlichen Jägerballs designte. Man ließ ihn einfach machen. Dass er rund 20 Jahre später seine allererste Einzelausstellung mitten in Manhattan haben und sofort ein Ankauf durch die Assistentin des amerikanischen Minimalisten und Konzeptkünstlers Sol LeWitt stattfinden würde, folgte in keinster Weise einer künstlerischen Karriereplanung am Reißbrett.
„Ich bin keiner, der bei Institutionen hausieren geht oder auf die Verkäuflichkeit schielt. In meiner Schublade warten mindestens 100 nicht gezeigte Arbeiten.“
Erfolge ohne Marktdenken
Nach der Matura in Ried im Innkreis studierte Horst Stein bei Ruedi Arnold am Salzburger Mozarteum Bildhauerei. Künstlerisch erfand er sich aber ständig neu: Heute arbeitet er in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Fotografie, Bildhauerei und Installation.
„Ich will mir meine Freiheit bewahren.“
Freiheit ist Steins wichtigstes Gut. Deshalb folgt er keinen auf dem Kunstmarkt geltenden Trends und kann es sich leisten, einer der mittlerweile selten gewordenen Universalisten zu sein. Stein lässt sich von seinen Ideen zu den notwendigen künstlerischen Techniken für die Umsetzung führen und dann präzisiert und präzisiert er so lange, bis die Qualität passt.
Bei Einzelausstellungen wurden seine Arbeiten neben New York auch in Rom und Köln gezeigt. Seine Werke sind regelmäßig in Wien, in Galerien in ganz Europa, im Karikaturmuseum Krems oder – so wie aktuell – in der Kunstsammlung des Landes OÖ zu sehen. Dort bildet er ironisch-witzig den Konkurrenzkampf zwischen Bruckner und Brahms ab: mittels aufwändig, naturalistisch gezeichneter Singvögel.
Mensch mit vielen ungewöhnlichen Professionen
Stein wollte sich nie nur in der „kleinen Kunstwelt“ – wie er sie bezeichnet – niederlassen, sondern weit darüber hinaus tätig sein:
„Ich vergleiche mich mit einem Insekt, das versucht, breit aufgestellt im Leben zu stehen. Deshalb hatte ich immer schon mehrere Standbeine.“
Und wenn Horst Stein auspackt, was er zusätzlich zu seinem künstlerischen Schaffen noch alles mit der gleichen Intensität verfolgt, dann fragt man sich: „Wie viele Leben lebt dieser Mann? Und vor allem: Wie viele Stunden haben seine Tage??“
Neben seinem Künstler-Dasein ist Horst Stein nämlich auch Sexualpädagoge für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Er verantwortet bei einem großen Sozialträger den Bereich „Sexuelle Bildung“ und moderiert Workshops & Seminare zu den Themen Liebe, Lust & Leidenschaft. Stein gibt Flirt- und Kennenlernkurse UND - jetzt kommt’s: Er entwickelt aktuell gemeinsam mit der Universität Wien ein „Tinder“ für Menschen mit Behinderung. Davon werden wir demnächst bestimmt noch mehr hören.
„Meine Währung ist die Zeit.“
Diesen Satz wiederholt Stein im Laufe unseres Gesprächs gleich mehrmals und meint damit, den Dingen des Alltags nachzugehen und die Intensität des Lebens auszukosten. So etwa auch in der Kulinarik: Horst Stein ist ein facettenreicher Hobbykoch, der regelmäßig zu größeren Essen mit Menschen aus der Kulturbranche in seine Wohnung einlädt und 10-Gänge-Menüs auftischt. Inklusive selbst gezüchteten, gesammelten oder gefangenen Zutaten. – Denen er sich anschließend wiederum tagelang zeichnerisch widmet.
Mit seinem DICK&STEIN – Gin ist er zum international mehrfach ausgezeichneten Destillateur aufgestiegen und vertreibt sein Produkt in zahlreichen Delikatessen-Läden Europas, u.a. auch im KaDeWe in Berlin.
„Mit diesen vielen Standbeinen verbinde ich Kunst & Leben, eine Liebe zur Intensität und einem so geglückten Leben.“
Wird man in Steins Wohnung eingeladen, dann kann man seine Tischlerarbeiten anhand der dort positionierten Möbel bewundern. Auch Boote baut er und selbstverständlich alle Bilderrahmen seiner Werke. Und wenn man Glück hat, hört man ihn auch musizieren: Er spielt Euphonium und Gitarre & erhielt erst kürzliche einen Kompositionsauftrag für zeitgenössische Musik in graphischer Notation. Und manchmal überrascht er sich dann sogar selbst und fragt sich:
„He, hab das wirklich ich gemacht?“

Horsts 3 Tipps, wie man das Leben am intensivsten lebt:
1) Es lohnt sich, bei einem Spaziergang im Winter sagen wir mal die 17 verschiedenen Brauntöne eines herabgefallenen Astes zu betrachten und nachher mit jemandem einen guten Tee oder ein vielschichtiges Glas Wein zu trinken.
2) Es lohnt sich, die Frage zu stellen, ob ich heute eh schon eine Kleinigkeit für mich, für dich und für uns gemacht hab'.
3) Es lohnt sich, funkelnd neugierige und wache Augen zu haben. In jeder Hinsicht.
Webseite Horst Stein